"Ohne Plan zur Nachhaltigkeit lehnen wir Finanzierungsanfragen ab"
Eigentümer von Gewerbeimmobilien sollten sich auf die Steigerung der Energieeffizienz fokussieren, sagt Sven Volker Blankenburg von der Berliner Sparkasse. Denn schon heute zeigt sich: Gebäude mit schlechtem energetischem Standard verlieren an Wert.

Sven Volker Blankenburg (M.Sc.) ist seit 20 Jahren in der Immobilienfinanzierung tätig und hat mehr als 5 Mrd. Euro Finanzierungsvolumen begleitet. Als Direktor in der Berliner Sparkasse leitet er die Abteilung für das Konsortial- und Fondsgeschäft und trägt Verantwortung für die Implementierung von ESG im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung.
Herr Blankenburg, worauf liegt aus Ihrer Sicht aktuell der Fokus im Bereich ESG?
Sven Volker Blankenburg: Der Fokus liegt aktuell klar auf dem E für Umwelt. In diesem Bereich ist der Markt am weitesten entwickelt – und auch regulatorisch schon deutlich vorangeschritten.
Die zentrale Frage lautet: Wie kann bis 2045 bzw. 2050 Klimaneutralität erreicht werden? Gerade für die Immobilienbranche ist das eine enorme Herausforderung.
Wir werden in den kommenden Jahren eine deutliche Intensivierung erleben. Die EU-Gebäuderichtlinie, die bereits beschlossen wurde und noch in deutsches Recht überführt werden muss, sieht klare Sanktionen vor: Immobilien, die zu den schlechtesten 26 Prozent gehören, werden einer Renovierungspflicht unterliegen.
Die Marktakteure müssen also handeln – und zwar sehr, sehr zügig.
Was ist wichtiger: Dekarbonisierung oder Energieeffizienz?
Beides gehört untrennbar zusammen. Strom und Fernwärme sind bislang nicht vollständig dekarbonisiert – das liegt allerdings nicht im Einflussbereich der Immobilieneigentümerinnen und Eigentümer.
Was sie jetzt konkret angehen können, ist hingegen die Energieeffizienz ihrer Gebäude. Es geht darum zu prüfen: Wo kann ich mit überschaubarem Aufwand erste Fortschritte erzielen?
Sie finanzieren verstärkt nachhaltig aufgestellte Objekte und unterstützen Kunden, die ein Transformationskonzept vorlegen. Warum?
Allein in Deutschland müssen rund 1,5 Millionen Gewerbeimmobilien in den nächsten 20 Jahren energetisch optimiert werden. Gerade Eigentümerinnen und Eigentümer größerer Portfolios sollten sich deshalb frühzeitig Gedanken machen.
Wir führen intensive Gespräche mit unseren Kundinnen und Kunden, bringen unsere Perspektive ein und überlegen gemeinsam, wie ein Objekt innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte klimaneutral werden kann. Wichtig ist: Der Startschuss muss jetzt fallen.
Würden Sie Finanzierungsanfragen ablehnen, wenn keine entsprechende Nachhaltigkeitsstrategie erkennbar ist?
Ja, das kommt durchaus vor. Wir haben eine klare Risikostrategie und orientieren uns dabei an den Energieausweisen. Es gibt Mindestanforderungen an den energetischen Standard der Immobilie.
Wenn diese nicht erfüllt werden, brauchen wir einen belastbaren Plan, wie das Objekt in den nächsten drei bis fünf Jahren in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt wird.
In den letzten zwölf Monaten hatten wir Anfragen von Eigentümerinnen und Eigentümern, die noch keine klare Vorstellung hatten, was mit ihrer Immobilie passieren soll – teils mit Leerständen von 30 bis 35 Prozent in Bürokomplexen.
In solchen Fällen führen wir intensive Gespräche. Wenn unsere Kunden ihre Pläne weiterentwickeln, begleiten wir sie gerne auf diesem Weg.
Welche Daten sind für Sie besonders wichtig?
Für uns ist derzeit der Energieausweis das A und O. Wir schauen insbesondere auf den Energieverbrauch der Immobilie, aber auch auf die genutzte Energiequelle und somit auf den CO₂-Ausstoß.
Immer wieder hört man aus der Branche: Wenn sich der Einfluss des energetischen Standards auf Rendite oder Immobilienwert klar beziffern ließe, würden Maßnahmen schneller umgesetzt.
Dem kann ich zustimmen. Bei der Bewertung von Objekten und den Zahlen, die Markt- oder Bankgutachterinnen und Gutachter ausweisen, spielt das Thema Nachhaltigkeit bisher aus meiner Sicht noch eine zu geringe Rolle – vor allem bei Immobilien in Toplagen. Dort lassen sich bereits heute attraktive Multiplikatoren erzielen, auch ohne ESG-Faktoren. Und sie steigen bislang nicht in dem Maße, wie ich es langfristig erwarte.
Nahezu alle Gutachterinnen und Gutachter bestätigen mir, dass ESG bislang noch nicht vollständig eingepreist wird.
Wird sich das ändern?
Ja. Am Beispiel der Wohnimmobilien sehen wir das bereits. Wenn man heute Immobilien mit sehr guter Energieeffizienz vergleicht mit solchen, die eine sehr schlechte aufweisen, erkennt man Marktabschläge von rund 20 bis 25 Prozent.
Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch in den Gutachten unserer Sachverständigen bei Gewerbeimmobilien deutlich niederschlägt. Dann lassen sich auch die Renditen, die Investitionen in ESG-Maßnahmen gegenüberstehen, besser beziffern.
Spätestens wenn die EPBD-Richtlinie energetische Standards vorgibt, wird sich das in den Marktpreisen klar widerspiegeln.
An welchen Stellen wird der Immobilienwert schon heute besonders sichtbar?
Professionelle Investorinnen und Investoren – ebenso wir als Finanzierer – prüfen regelmäßig den Wertverlauf. Meist werden Immobilien alle ein bis zwei Jahre neu bewertet, und diese Zahlen fließen dann in die Bilanzen ein. Allerdings spiegeln die Gutachten wie gesagt aktuell noch nicht eindeutig wider, welchen Effekt ESG-Maßnahmen tatsächlich haben.
Sobald jedoch Immobilien am Markt gehandelt werden, wird ihr Wert komplett transparent. Beim Verkauf einer Immobilie wird dann oft sehr deutlich, welchen Abschlag nicht umgesetzte energetische Maßnahmen heute verursachen.
Geht die Transformation in der Immobilienbranche insgesamt zu langsam?
Die Klimaschutzziele werden von der Branche verfehlt – also ja, es geht zu langsam.
Gleichzeitig müssen wir realistisch sein. Wir befinden uns in einem schwierigen Marktumfeld – gesamtwirtschaftlich und durch die geopolitische Lage.
Und ich finde, dass die Branche recht viel unternimmt. Es braucht keine Panik – aber ein konsequentes und kontinuierliches Vorgehen bei der Verbesserung der Energieeffizienz unserer Gebäude. Dabei beraten und unterstützen wir als Berliner Sparkasse.
Herr Blankenburg, vielen Dank für das Gespräch.
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