"Nur mit Innovationsbereitschaft ist die Immobilienbranche zukunftsfähig"
Digitalisierung wird auch in der Immobilienwirtschaft zur Grundvoraussetzung für erfolgreiches Handeln, sagt Verena Rock MRICS, Professorin für Immobilienmanagement an der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Die Branche braucht dazu unter anderem einen neuen Umgang mit Fehlern.
Prof. Dr. Verena Rock MRICS ist seit 2010 Professorin für Immobilieninvestment und -portfoliomanagement an der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Dort initiierte sie unter anderem den Masterstudiengang Immobilienmanagement sowie den 2020 gestarteten Studiengang Digitales Immobilienmanagement, dessen Studiengangsleitung sie innehat. Als Direktorin leitet sie dort ebenfalls das Institut für Immobilienwirtschaft und -management (IIWM).
Zuvor war Verena Rock als Fondsmanagerin bei Morgan Stanley Real Estate und als Managerin im Bereich International Real Estate Advisory bei Corpus Sireo tätig. Sie studierte und promovierte an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, wo sie heute auch als Gastdozentin lehrt.
Frau Professorin Rock, welche Nutzen der Digitalisierung sehen Sie aktuell für Immobilienunternehmen?
Konkrete Use Cases, die einen messbaren wirtschaftlichen Erfolg bringen, sehen wir vor allem in der Gebäudebewirtschaftung, Stichwort ESG.
Die Immobilienunternehmen, die die entsprechenden Daten haben oder erheben, können Effizienzgewinne erzielen, vor allem durch KI-basierte digitale Lösungen. Andere Stichwörter sind Instandhaltung und Predictive Maintenance – das funktioniert auch, wenn man die entsprechenden Daten aus dem Gebäude ziehen kann.
Und dann gibt es schon viele Lösungen, die einen konkreten Mehrwert bringen im Sinne von Zeit- und Kostenersparnis.
Ob digitalisierte Gebäude ein Renditeplus bringen, müssen wir allerdings noch sehen. Im Moment ist es wohl eher so, gerade wenn wir über das Thema ESG reden, dass, wenn man nichts tut, der Wert der Immobilie sinkt. Meine Hoffnung ist, dass die Umsetzung von ESG-Maßnahmen in Immobilienunternehmen und Gebäuden Hand in Hand mit der Digitalisierung geht.
Würden Sie Immobilienunternehmen dazu motivieren wollen, bei der Digitalisierung mehr Initiative zu ergreifen?
Eindeutig ja! Aus gleich mehreren Gründen.
Da ist zum einen die Regulatorik, die zum Beispiel in Sachen ESG vieles vorgibt. Dann werden die Nutzer von Immobilien zunehmend fordern, dass deren Anbieter digitaler und nachhaltiger werden – im Bürobereich sehen wir das heute schon.
Und auch die potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Immobilienbranche haben die Erwartungshaltung, dass ein Unternehmen den digitalen Wandel vollzieht, mittelfristig ein digitales Geschäftsmodell hat und innovativ denkt. Ein Digital Mindset wird hier zum Hygienefaktor der Unternehmenskultur.
Deswegen ermutige ich die Immobilienwirtschaft, hier mehr Innovation zuzulassen, die Innovationsbereitschaft zu steigern, erstmal ganz allgemein und dann natürlich in Richtung Digitalisierung. Nur so ist man zukunftsfähig.
Der Prozess dahin wird auch Rückschritte beinhalten. Aber darauf muss man sich einlassen. Das bringt mit sich, dass wir viel stärker eine Fehlerkultur brauchen. Fehler werden in der Immobilienwirtschaft bisher selten zugelassen. Die passieren aber automatisch, wenn man etwas Neues ausprobiert.
Wenn sich kein Immobilienunternehmen bewegt, dann gibt es aber auch keinen Wettbewerbsdruck.
Auch wenn die Ertragsseite momentan nicht so gut aussieht wie früher, gibt es einige Unternehmen, die kostenseitig Wettbewerbsvorteile erzielen. Und hier wächst der Druck, im eigenen Geschäftsmodell und den Prozessen effizient und digital aufgestellt zu sein.
Einige Immobilienfondsgesellschaften zum Beispiel sind schon digital aufgestellt. Die haben jetzt Vorteile, weil sie eventuell etwas mehr Rendite generieren können aus ihren Objekten – auch dadurch, dass sie auf der Bewirtschaftungsseite schon digitale Lösungen implementiert haben.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ergibt sich im Vorfeld einer Projektentwicklung, wo zum Beispiel KI helfen kann, die optimale Nutzung für einen Standort zu finden. Damit hätte man in dieser sehr analogen Projektentwicklungssparte ebenfalls einen Wettbewerbsvorteil.
Welche Hemmnisse und Hürden bremsen die Transformation in Richtung digitale Immobilienwirtschaft?
Eine der größten Hürden – die wir in unserer Studie „Transform to Succeed“ kürzlich identifiziert haben – ist die Mentalität in Immobilienunternehmen. Hier gibt es immer noch häufig eine Widerstandshaltung gegenüber Veränderungen. Es gibt aber natürlich auch technologische und prozessuale Barrieren, weil man einfach noch keine Datenbasis hat. Wahrscheinlich werden manche Hindernisse aktuell auch stärker wahrgenommen als vor drei Jahren, weil man inzwischen etwas mehr ausprobiert und Erfahrungen gesammelt hat.
Um welche Themen wird die Immobilienbranche in Zukunft nicht mehr herumkommen?
Das sind aus meiner Sicht zwei große. Das eine ist die Verschmelzung aus Bau und Betrieb. Ich glaube, wir können nur dann wieder einigermaßen effizient im Bau werden, wenn wir den Betrieb gleich mitdenken, und umgekehrt.
Im Zuge von ESG sehen wir ja zum Beispiel, wie wichtig die Fragen der Materialien und Kreislaufwirtschaft werden. Die können wir nur mit der Bauwirtschaft zusammen anfassen. Ich plädiere für viel mehr Kooperation zwischen den beiden Teilbranchen.
Das andere ist ESG an sich, Energieeffizienz und Dekarbonisierung natürlich. Hier möchte ich aber den Fokus auf das S legen. Menschen leben und arbeiten in Gebäuden, und unsere Branche hat damit auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Mit Social Impact hat die Branche eine Riesenaufgabe, und ich finde es sehr wichtig, sich damit zu beschäftigen – nicht nur im Wohnungsbereich.
Konstantin Köhler war viele Jahre Journalist und Corporate Writer für Technikthemen. Der erfahrene Content-Spezialist ist bei Recogizer verantwortlich für Kommunikation & Marketing. Sein Anliegen: Authentische und hilfreiche Informationen liefern und komplexe Themen verständlich machen.
Konstantin Köhler | Head of Communications
zurück zur Übersicht